Dienstleister für den gemeinnützigen Sektor
Frank Wieser im Interview mit ODDO BHF.
Abdruck des Interviews mit freundlicher Genehmigung der Privatbank ODDO BHF.
Erstpublikation in: ENGAGE! Stiftungsmagazin von ODDO BHF, 2022/1
Das Haus des Stiftens in München fördert bürgerschaftliches Engagement. Das Unternehmen entwickelt Angebote für Stifter, für gemeinnützige Organisationen und für Unternehmen, um soziales Engagement zu erleichtern, zu kanalisieren und dadurch den Effekt auf das Gemeinwohl zu stärken. Mit Frank Wieser, seit Februar Chief Financial Officer (CFO) und Geschäftsführer Haus des Stiftens GmbH, sprachen Christoph Beuter und Dirk Wissink (ODDO BHF).
Herr Wieser, Sie sind Anfang des Jahres als neuer Geschäftsführer Finanzen im Haus des Stiftens gestartet. Bewegte Zeiten. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?
Was gemeinnützige und soziale Organisationen angeht, erleben wir gerade einen fundamentalen Wandel. Wir merken, dass das Bedürfnis und die Bereitschaft zu spenden nicht abgenommen haben, ganz im Gegenteil. Aber die Menschen möchten zielgerichteter agieren. Früher hat man sich eher an ein großes Projekt und eine Institution langfristig gebunden, heute sind Schnelligkeit und Flexibilität gefragt. Deshalb fließen immer mehr Spenden projekt- und situationsbezogen an kleinere Organisationen. Diesen Wandel müssen wir konstruktiv begleiten.
Sie kommen aus der Finanzbranche in den gemeinnützigen Sektor – keine Selbstverständlichkeit. Was hat sie zu diesem Schritt bewogen?
Ich bin schon seit den 90er Jahren sozial engagiert, das fing bei einer Stiftung in Hamburg an. Ich habe damals gesehen, wieviel Gutes man lokal und regional tun kann. Das hat mich fasziniert und auch nicht losgelassen. Mit dem Haus des Stiftens gab es lange Gespräche. Und natürlich habe ich mich gefragt: Kann ich das vom Fachlichen und auch von meiner Persönlichkeit? Man bereut im Leben ja meistens die Dinge, die man nicht macht. Motiviert hat mich letztlich der Umstand, dass es vielen Leuten bei uns sehr gut geht, aber längst nicht alle der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ich tue das jetzt.
Aber Sie sind dem Haus des Stiftens schon länger verbunden …
Ja, ich war sechs Jahre im Beirat und wurde auch immer wieder in Strategieberatungen einbezogen. Das hat mir einen guten Einblick in die Organisation gegeben. Insofern war mein Wechsel kein Kaltstart, sondern eher ein Umzug auf vertrautes Terrain.
Mit ihrem Wechsel kommt auch eine neue Agenda. Sie wollen wachsen, das Haus des Stiftens vielleicht auch strukturell anpassen. Was sind ihre konkreten Pläne für die nächsten Jahre?
Zum einen wollen wir im Bereich des Finanzmanagements wachsen und uns beim Thema Geldmanagement und Anlagen besser und breiter aufstellen. Zum anderen wollen wir mehr Transparenz für unsere Kunden schaffen, und zwar – wie ich schon sagte – nicht nur bei Zuwendungen an die Großen, an Brot für die Welt, Unicef, WWF usw., sondern auch bei kleineren Summen an kleinere Organisationen. Die Frage „Wem gebe ich mein Geld wirklich, und was bewirkt es dort konkret?“ wird immer wichtiger. Das für die Spender nachvollziehbar zu machen, erfordert viel Arbeit und eine funktionierende digitale Infrastruktur im Hintergrund. Hier liegt aus unserer Sicht die Zukunft.
Auch die Welt des Stiftens wird also digitaler, wie vieles in unserer Gesellschaft. Welche Trends können Sie heute schon erkennen?
Der Bereich des Stiftens wird weiterhin mit einer normalen Wachstumsrate seinen Stellenwert haben. Was aber dazu kommt, ist das steigende Bedürfnis, schon mit kleineren Summen helfen zu wollen. Der Bereich wird kleinteiliger, schneller, Nachhaltigkeit ist ein Kernthema, und wir haben es zunehmend mit einer Erbengeneration zu tun, die Verantwortung übernehmen möchte. Der finanzielle Transfer, der Datenaustausch mit den Hilfsorganisationen, die Kommunikation mit den Spendern … Dafür muss Personal bereitstehen und Infrastruktur geschaffen werden.
Stichwort Impact Investing: Viele Erben haben ganz gezielt den Wunsch, nicht nur Gutes zu tun, sondern auch über die Art des Investments Einfluss zu nehmen. Wie sind Sie bei diesem Thema aufgestellt?
Wir haben gute und standhafte Vehikel für unsere aktuellen Leistungen, aber wir werden uns zum Thema Impact Investing sicherlich noch weiter entwickeln müssen. Gerade haben wir z. B. eine Anfrage in Form eines Pre-Checks bekommen. Das Projekt war die Errichtung einer Solaranlage in Afrika, wodurch zusätzlich Arbeitsplätze geschaffen werden sollten. Ein klassischer Impact Case. Aber bei unserer Prüfung entdeckten wir Kredit- und Haftungsrisiken, Strukturen waren unklar und auch wer an dem Projekt verdient. Solche Anfragen wollen wir künftig nicht situativ beantworten, sondern ein echtes Impact-Investing-Vehikel etablieren.
Sie beraten ca. 1.500 Stiftungen und verwalten rund 1 Milliarde Euro Vermögen. Vor welchen Herausforderungen stehen diese Stiftungen, und wie kann das Haus des Stiftens helfen?
Gewinnbringende Ausschüttungen mit konservativen Strategien zu erzielen, ist heute kaum mehr möglich, weil die Rentenseite keine Rendite mehr erzielt. Hinzu kommt jetzt die Inflation. Die Relation zwischen niedriger Stiftungsausschüttung und steigender Inflation bereitet vielen Stiftungen Kopfzerbrechen. Wir empfehlen daher immer, den Aktienanteil so weit auszuschöpfen, wie es die eigenen Anlagerichtlinien erlauben; das tun nicht alle Stiftungen. Außerdem finden kleinere Stiftungen nur schwer Bankverbindungen zu vernünftigen Konditionen. Vernünftig heißt, dass die Verwaltungskosten die Erträge aus dem Kapitalvermögen nicht übersteigen sollten.
Die Nullzinspolitik wird uns sicherlich noch einige Zeit begleiten. Sprechen Sie konkrete Empfehlungen aus, wie sich Stiftungen in dieser Situation besser aufstellen sollen?
Ja und nein. Wir dürfen und wollen keine Kundenberatung im Sinn einer Bank machen. Aber natürlich erreichen uns diese Themen von Seiten unserer Kunden. Wir empfehlen, die Anlagerichtlinien zu prüfen und aktiv auf Banken zuzugehen, um bessere Konditionen zu verhandeln und eine geeignete Produktallokation innerhalb des Portfolios vorzunehmen.
Mit den Vermögenspooling-Fonds bieten Sie eine professionelle Lösung für Stiftungsvermögen. Wie arbeiten die Stiftungsverwalter, und nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgewählt?
Wir haben aktuell sechs Vermögensverwalter, unter anderem ODDO BHF, die sehr gute Arbeit leisten. Wir monitoren die Performance wöchentlich. Zusätzlich prüft der Vermögensbeirat monatlich das gesamte Zahlenwerk. Ausgewählt wurden die Vermögensverwalter bei persönlichen Beauty Contests in München. Maßgeblich waren einerseits harte Kriterien, wie Investmentstrategien, Performance, Kapitalmarkt-Know-how, Risikosysteme. Andererseits haben auch weiche Faktoren eine Rolle gespielt, wie Verlässlichkeit, Vertrauen, Reputation, Engagement. Aus Investorensicht wollte man sich auch in guten Händen wissen.
Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit und worauf kommt es Ihnen hier am meisten an?
Klar, das Thema ist in aller Munde, gesellschaftlich gefordert, regulatorisch immer wichtiger. Ich sage einmal so: Es spielt für uns eine eher untergeordnete Rolle, da alle Welt sowieso erwartet, dass wir die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Wir haben einen kleinen, feinen Bereich, der auf übergreifende Nachhaltigkeit spezialisiert ist. Doch das Thema ist bei uns so grundsätzlich verankert, dass es ein Teil unserer DNA ist. Von den Vermögensverwaltern verlangen wir, dass sie bestimmte Kriterien erfüllen. Jeder geht anders vor, deshalb ist Transparenz für uns genauso unerlässlich wie persönliches Engagement und Verständnis für den gemeinnützigen Sektor. Wir sind z. B. ein großer Fan von Green Bonds. Und einmal im Jahr lassen wir sämtliche Anlagen durch ein österreichisches Institut unabhängig überprüfen. Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten funktioniert sehr gut.
Lassen Sie uns über die Stiftungsrechtsreform sprechen. Was denken Sie, wie sich die Reform auf die Themen Vermögensanlage und Haftung von Stiftungsorganen auswirken wird?
Ich hoffe, dass Stiftungen durch die Reform an Mut gewinnen, und mir gefällt die Idee der Business Judgement Rule gut. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass einige Stiftungen weitermachen werden wie bisher. Rückblickend zum Thema Nachhaltigkeit könnte ich mir vorstellen, dass auch die Nachhaltigkeitsforderungen in manchen Satzungen veraltet und nicht aktuell sind. Ich hoffe, dass die Reform zu einem deutlich moderneren Anlageverhalten führt und dass einzelne Stiftungen diese Aspekte in ihren Anlagerichtlinien vernünftig und nicht willkürlich definieren und umsetzen. Ich würde vielen Stiftungen empfehlen, sich hier kompetent beraten zu lassen.
Was braucht es Ihrer Ansicht nach, damit ein Umdenken stattfindet?
Die Handlungsbereitschaft, sich moderner aufzustellen, existiert durchaus. Gleichzeitig ist das Themengebiet jedoch komplex und kleinteilig. Nicht alle Stiftungen holen sich z. B. gern externen Rat ein. Der Prozess, eine ganze Stiftungsorganisation abzuholen und zu überzeugen, ist zeitaufwendig und bietet wenig Spielraum, schnelle Entscheidungen zu treffen. Das Gremiendenken und das Prozesstempo sind gar nicht dafür geeignet.
Was würden sie sich für Ihre Arbeit im Haus des Stiftens wünschen, um gemeinnütziges Engagement weiter zu intensivieren?
Ich finde, wir haben vernünftige Rahmenbedingungen, zudem existiert auch eine Art besondere Awareness, gesellschaftliche Aufmerksamkeit für diesen Sektor. Andererseits sehe ich eine, sagen wir, große Konsensorientierung in der Umsetzung von Veränderungen. Daher würde ich mir manchmal mehr Tempo, mehr Visionen und mehr Zukunft wünschen, da vieles in Stiftungen doch noch an der Vergangenheit haftet. Die Innovationsfähigkeit des Sektors ist sicherlich verbesserungsfähig.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der Kommunikation ein? Tauscht man sich genug gegenseitig aus, um durch ein gemeinsames Vorgehen vielleicht mehr Momentum zu gewinnen?
Natürlich gibt es viele Themen, z. B. Geldanlagen oder Immobilienanlagen, bei denen die Kommunikation untereinander hervorragend funktioniert. Ganz generell gesprochen liegt aber die Zukunft des sozialen Sektors in intelligenter Vernetzung aller Themen untereinander. Viele erkundigen sich schon heute: Wie macht Ihr das, wie geht Ihr mit diesem und jenem Thema um? Wenn ich mir heute etwas wünschen dürfte, dann wären es vor allem Lösungen für kleine Stiftungen, damit diese auch einmal schließen oder fusionieren dürften nach dem Motto „mehr Klasse als Masse“. Das Gleiche gilt für Städte und Kommunen mit der Freiheit, ihre kleinteiligen Stiftungen zusammenlegen zu dürfen, um eine größere Schlagkraft, eine größere Ausschüttung und damit mehr Gemeinnützigkeit zu erreichen.
Zum Abschluss: Wenn es um Trends und Innovation geht, wie wird sich nach Ihrer Meinung die Rolle des Haus des Stiftens in den kommenden Jahren darstellen?
Für die ganzen Dinge, die ich angedeutet und skizziert habe, würden wir idealerweise in den nächsten Jahren eine Personalaufstockung von 20 bis 40 % benötigen. Anders gesagt: Wir haben Wachstumsschmerzen. Denn wir arbeiten gerade in vielen Bereichen daran, uns neu aufzustellen, in der Vernetzung verschiedenster sozialer Partner untereinander, der Kapitalanlage oder auch in unserer Angebotspalette gegenüber unternehmerischem Engagement. Wir verstehen uns als klassischer Dienstleister für den gemeinnützigen Sektor – nicht nur für Stiftungen. Dabei decken wir das komplette Spektrum der Managementaufgaben ab, die zunehmend komplex werden. Dass soziales Engagement eher zu- als abnehmen wird, ist dabei unsere Grundannahme, und deswegen werden wir die entsprechenden Kapazitäten innerhalb der Organisation sukzessive aufbauen müssen.
Quellenangabe
ENGAGE! Stiftungsmagazin von ODDO BHF, 2022/1
Interviewpartner



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