Vorstandsarbeit optimal gestalten
Von der lästigen Pflicht zur reizvollen Aufgabe – 18 Praxistipps zur Gestaltung und Besetzung von Stiftungsgremien
Ein Fachartikel von Dr. Karsten Timmer
Stiftungs-News November 2024 – Newsletter abonnieren
Ob Stiftungen mit großem Budget wenig erreichen oder aus kleinen Mitteln viel machen – das hängt nicht nur von ihren finanziellen Mitteln ab, sondern in erster Linie von den Menschen, die die Verantwortung tragen. Stiftungen und Stiftende sollten daher der Gestaltung und Besetzung der Gremien besondere Aufmerksamkeit widmen. Die folgenden 18 Praxistipps können Ihnen dabei helfen, eine gute und nachhaltige Vorstandsarbeit zu gewährleisten.
- Tipps für die Satzungsgestaltung
- Tipps für die praktische Arbeit
- Tipps für die Besetzung der Gremien
- Wie finden Sie geeignete Personen für die Nachfolge?
Tipps für die Satzungsgestaltung
Die Ausgestaltung der Organe muss in der Stiftungssatzung niedergelegt werden.
1. Personenzahl
Als ideale Größe für einen Vorstand hat sich eine Zahl von drei bis fünf Personen bewährt. Ein Vorstand, der aus nur einer Person besteht, ist formal zwar möglich, aber nicht krisensicher und daher nicht zu empfehlen. Bei zu vielen Personen hingegen fühlt sich schnell niemand mehr richtig verantwortlich und es wird viel schwieriger, gemeinsame Termine zu finden.
2. Kontinuität und Wandel
Für eine regelmäßige Verjüngung empfiehlt es sich, die maximale Dauer der Zugehörigkeit auf zwei oder drei Amtszeiten zu begrenzen. Alternativ kann in der Satzung eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festgesetzt werden. Es hat sich außerdem bewährt, die Amtszeiten der Vorstandsmitglieder so aufzufächern, dass jedes Jahr eine Person neu oder wieder zu wählen ist. So können Generationenumbrüche vermieden werden, zu denen der gesamte Vorstand neu besetzt werden muss.
3. Vorsicht bei „geborenen“ Gremienmitgliedern
Auch wenn Sie mit dem aktuellen Schulleiter, der jetzigen Lehrstuhlinhaberin oder dem gegenwärtigen Pfarrer gut auskommen, können sich die Nachfolger:innen als echte Belastung für die Stiftungsarbeit erweisen. Wenn Ihnen die Anbindung an eine Institution wichtig ist, kann auch ein:e Vertreter:in mit beratender Stimme zu den Sitzungen eingeladen werden.
4. Flexibilität bei der Auswahl
Es mag verlockend sein, in der Satzung bestimmte Anforderungen an zukünftige Gremienmitglieder festzuschreiben. Sie sollten allerdings darauf achten, dass diese Vorgaben nicht zu eng gefasst sind, um die Suche nach geeigneten Personen nicht unnötig einzuschränken. Im Zweifelsfall geben Soll-Bestimmungen späteren Vorständen die nötige Flexibilität.
5. Vielfältige Kompetenzen einbinden
Externer Sachverstand ist wichtig für eine gute Stiftungsarbeit. Hierfür muss aber nicht das Entscheidungsorgan aufgebläht werden. Stattdessen können Expert:innen auch im Einzelfall hinzugezogen werden. Oder Sie sehen in der Satzung die Möglichkeit vor, beratende Ausschüsse, eine Jury oder einen wissenschaftlichen Beirat einzurichten – und wieder abzuschaffen, wenn sich der Aufwand nicht rentiert.
Tipps für die praktische Arbeit
Der Vorstand ist selbst für seine Arbeitsweise verantwortlich. Er kann und muss sich so organisieren, dass die Zeit, die die Vorstandsmitglieder der Stiftung ehrenamtlich widmen, auch gut genutzt wird.
6. Entlastung der Vorstandsmitglieder
Sofern die Stiftung nicht ohnehin als Treuhandstiftung verfasst ist, sollten administrative Aufgaben wie die Vermögensverwaltung oder die Buchhaltung so weit wie möglich an externe Dienstleister ausgelagert werden. Durch diese Entlastung wird das Vorstandsamt deutlich attraktiver und auch die oft gefürchteten Haftungsfragen verlieren an Bedeutung – beides ist auch mit Blick auf die Gewinnung neuer Vorstandsmitglieder wichtig.
7. Ressortzuständigkeiten einführen
Es müssen nicht immer alle Alles machen. Gerade bei etwas aufwendigeren Stiftungen kann es hilfreich sein, Ressortzuständigkeiten einzuführen, so dass einzelne Vorstandsmitglieder oder auch Zweierteams einen bestimmten Bereich eigenständig bearbeiten, zum Beispiel die Projektförderungen oder die Vermögensanlage. So werden die Vorstandssitzungen von operativen Detailfragen entlastet. Die Grundsatzentscheidungen liegen allerdings weiterhin beim Gesamtgremium, das sich regelmäßig über die Umsetzung informieren lassen sollte.
8. Für frischen Wind sorgen
Weil Stiftungen keine Impulse von Mitgliedern, Aktionären oder Kunden bekommen, laufen sie Gefahr, allzu schnell im eigenen Saft zu schmoren. Sie tun sich selbst einen Gefallen, wenn Sie regelmäßig für Anregungen von außen sorgen, zum Beispiel indem Sie den Projektleiter einer geförderten Organisation, eine Expertin zu Stiftungsfragen oder einen Vertreter der Kommune, in der die Stiftung tätig ist, zu einer Sitzung einladen. Auch Vor-Ort-Besuche oder eine Sitzung in den Räumen eines Projektpartners können belebend wirken.
9. Einen guten Rhythmus finden
Bei kleinen Stiftungen wird es oft reichen, eine Sitzung im Jahr zu machen, auf der alle Themen gebündelt werden. Sobald es komplexer wird, bietet es sich an, die Tagesordnungspunkte auf mehrere Sitzungen zu verteilen, damit mehr Zeit bleibt, um die Themen in Ruhe zu besprechen; zum Beispiel Jahresabschluss und Vermögensanlage auf einer Frühjahrssitzung und die Förderungen im Herbst.
Tipps für die Besetzung der Gremien
Vertrauen spielt bei der Auswahl von Organmitgliedern eine große Rolle, und tatsächlich ist es wichtig, dass das Gremium auch als Gruppe funktioniert. Bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern kommt es allerdings noch auf weitere Punkte an.
10. Vielfalt
Versuchen Sie, den Vorstand nicht zu einheitlich zu besetzen. Eine gute Mischung aus Alter, Geschlecht und Berufshintergründen ergibt unterschiedliche Perspektiven, die sich in der Arbeit gegenseitig befruchten.
11. Qualifikation
Überlegen Sie, welche Kompetenzen im Vorstand vertreten sein sollten (z. B. inhaltliche Expertise auf dem Gebiet der Stiftungszwecke, Recht/Steuern, Vermögensanlage, Fundraising/Kommunikation). Auch wenn die Stiftung bestimmte Aufgaben an Dienstleister überträgt, ist es sinnvoll, entsprechenden Sachverstand an Bord zu haben, um die Stiftung effektiv führen und die Dienstleister kompetent beaufsichtigen zu können.
12. Zeitbudget
Gerade in ehrenamtlichen Gremien ist Zeit oftmals eine entscheidende Ressource. Versuchen Sie daher, Personen zu gewinnen, die nicht nur die nötigen Kompetenzen, sondern auch die Zeit und Lust haben, sich für die Stiftungsarbeit einzusetzen.
13. Vorsicht vor Prominenten
Viele Stiftungen haben schlechte Erfahrungen mit der Berufung von Prominenten gemacht. Sie bringen zwar Renommee, sind aber selten bereit und in der Lage, sich intensiv in die Themen der Stiftung einzuarbeiten.
14. Compliance
Sprechen Sie mögliche Interessenkonflikte frühzeitig und offen an, etwa wenn ein Kandidat für ein Gremienamt gleichzeitig Berater, Dienstleister oder Mittelempfänger der Stiftung ist. Konkrete Vereinbarungen helfen, Konflikten und Missverständnissen vorzubeugen.
Wie finden Sie geeignete Personen für die Nachfolge?
Immer mehr Stiftungen tun sich schwer damit, passende Nachfolger:innen für die Gremien zu finden. Dieses Problem bekommt man nur in den Griff, wenn man es aktiv angeht.
15. Kompetenzprofile erstellen
Um gezielt nach geeigneten Personen zu suchen, ist es empfehlenswert, ein kurzes Profil zu erstellen, in dem festgehalten wird, welche Kompetenzen im Vorstand vertreten sein sollten und wie viel Zeit die Mitglieder für die Stiftungsarbeit aufwenden müssen. Außerdem empfiehlt es sich, die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit festzuhalten: Finden die Sitzungen online oder in Präsenz statt? Werden Kosten erstattet oder eine Aufwandsentschädigung gezahlt? Welchen Gestaltungsspielraum hat der Vorstand?
16. Netzwerke nutzen
Wenn Sie ein solches Kompetenzprofil in Ihrem Netzwerk zirkulieren lassen, werden Sie feststellen, dass ein Mandat in einer Stiftung für viele Menschen attraktiv ist. Darüber hinaus können Sie das Profil auch gezielt an Institutionen richten, in denen sich Engagierte zusammenfinden, z. B. an die örtlichen Service Clubs (Rotary, Lions, Soroptimist) oder an die Bürgerstiftung vor Ort.
17. Betroffene beteiligen
Bewährt hat es sich auch, Menschen aus der Zielgruppe, für die sich die Stiftung einsetzt, in die Gremien zu berufen. Wenn Ihre Stiftung zum Beispiel Projekte für behinderte Menschen fördert, wird eine Person mit einer Behinderung im Vorstand sicher dafür sorgen, dass die Stiftung aktiv bleibt und nicht am Bedarf der Zielgruppen vorbeiplant.
18. Dran bleiben
Machen Sie es sich zur Angewohnheit, mindestens einmal im Jahr auf einer Vorstandssitzung über das Thema Nachfolge zu sprechen, damit Sie personelle Wechsel langfristig vorbereiten können. Bei dieser Gelegenheit können Sie auch eine vertrauliche Liste von Personen erstellen und laufend aktualisieren, die für eine Tätigkeit im Vorstand in Frage kommen, und festlegen, wer geeignete Kandidat:innen beizeiten anspricht.
Stiftung Stifter für Stifter
Die Stiftung „Stifter für Stifter“ bietet darüber hinaus für die treuhänderischen Stiftungen, die sie verwaltet, einen Gremienbestellungsservice an, der langfristig die Aufgabe übernimmt, geeignete Personen für die Stiftungsgremien zu suchen und zu bestellen.
Foto: Jacob Lund, stock.adobe.com
Autor des Fachartikels: Dr. Karsten Timmer
Dr. Karsten Timmer ist geschäftsführender Gesellschafter der Stiftungsberatung wohl & tätig, die vermögende Privatfamilien bei der Gestaltung ihrer gemeinnützigen Aktivitäten unterstützt. Darüber hinaus engagiert er sich ehrenamtlich als Stifterrat in der Stiftung ‚Stifter für Stifter‘ sowie in weiteren Initiativen wie Impulse Stiften oder weniger ist mehr.
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