Digitale Versammlung in Verein und Stiftung – möglich oder nicht?
Die gute Nachricht: Virtuelle Versammlungen von Vereinen und Stiftungsgremien bleiben auch nach dem 01.09.2022 möglich – voraussichtlich ohne Satzungsänderung. Doch was ist mit den anderen Erleichterungen aus dem Abmilderungs-Gesetz?
Ein Beitrag von Rechtsanwältin Dr. Marietta Birner
Stiftungs-News Juni 2022 – Newsletter abonnieren
Rückblick: Die letzten zwei Jahre
Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2022 hat der Bundestag begrenzte Sonderregelungen auch für Vereine und Stiftungen vorgesehen. Ziel war es, die Handlungsfähigkeit der Vereine und Stiftungen während der Corona-Krise aufrechtzuerhalten, indem für den Vorstand und die Mitgliederversammlung Erleichterungen geschaffen wurden, bei Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten dennoch erforderliche Beschlüsse zu fassen. Diese Erleichterungen sollten zunächst bis um 31.12.2020 gelten und wurden schließlich bis zum 31.8.2022 verlängert. Mit dieser Fristverlängerung sollte es den Vereinen bzw. Stiftungen auch möglich gemacht werden, ihre Satzungen ggf. an die neue Lebenswirklichkeit anzupassen.
Aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung war es während der letzten zwei Jahre möglich, virtuelle bzw. hybride Mitgliederversammlungen durchzuführen. Daneben konnten Vereine Beschlüsse im Umlaufverfahren fassen, ohne dass die schriftliche Zustimmung aller stimmberechtigter Mitglieder eingeholt werden musste. Für eine wirksame Beschlussfassung war es ausreichend, wenn die Hälfte aller stimmberechtigter Mitglieder ihre Stimme in Textform abgegeben hatten.
Und nun?
Wenn Vereine und Stiftungen weiterhin auf die Möglichkeit alternativer Formen der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung zurückgreifen möchten, so könnte dies nun auch ohne Satzungsänderung nach dem 31.8.2022 möglich sein: Auf Initiative des Freistaats Bayern wurde am 20.05.2022 im Bundesrat ein Gesetzentwurf beraten und in die Ausschüsse verwiesen, wonach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3a COVMG ab 1.9.2022 als neuer § 32 Abs. 1a BGB die dauerhafte Möglichkeit für Vereine und Stiftungen vorsieht, digitale Versammlungen abzuhalten. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die „Regelung zu einer Stärkung der Mitgliedschaftsrechte und einer Förderung des ehrenamtlichen Engagements führt“ und „angesichts der voranschreitenden Digitalisierung auch über die pandemische Situation hinaus sinnvoll ist.“
Gesetzesentwurf zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht
Der dem Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf sieht folgende Ergänzung des § 32 Abs. 1 BGB vor:
„(1a) Der Vorstand kann auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“
Weitere Erleichterungen aus dem „Abmilderungs-Gesetz“
Für die anderen Erleichterungen aus dem „Abmilderungs-Gesetz“ müssen Vereine bzw. Stiftungen jedoch ihre Satzungen gem. § 33 BGB ändern, wenn sie nach dem 31.8.2022 diese Regelungen weiterhin anwenden wollen. Als Formulierungshilfe für die Satzung kann auf den Text von § 5 (Vereine und Stiftungen) COVMG zurückgegriffen werden
- Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
- Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen, ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
- Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Datenschutzrechtliche Herausforderung der digitalen Mitgliederversammlung
Je nach Vereinsgröße und Mitgliederstruktur ist dann aber die Umsetzung einer virtuellen bzw. hybriden Mitgliederversammlung nicht nur eine technische, sondern auch datenschutzrechtliche Herausforderung. Der Vorstand muss die für seinen Verein geeignete Konferenzsoftware-Lösung wählen, die die Rechte der Vereinsmitglieder – Rede-, Informations- und Stimmrecht – gewährleisten kann.
Um eine Anfechtung der gefassten Beschlüsse vorzubeugen, muss auf eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vor allem bei der Durchführung von Wahlen oder Satzungsänderungen geachtet werden – hier wirft die praktische Umsetzung aber oft noch viele Fragen auf. Die Nutzung einer Konferenzsoftware-Lösung wird auch zwangsläufig personenbezogene Daten der Nutzer verarbeiten, so dass im Sinne der DSGVO das Vereinsmitglied auf die Verarbeitung seiner Daten mittels einer gesonderten Datenschutzerklärung hinzuweisen ist – falls dies nicht bereits in der Datenschutzerklärung des Vereins mitumfasst ist.
Fazit
Der neue Gesetzesentwurf des Freistaats Bayerns zeigt, dass die Digitalisierung nun auch im Vereins- und Stiftungsrecht angekommen ist. Durch die beabsichtigte gesetzliche Regelung, die an die am 31.08.2022 auslaufende Ausnahmeregelungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3a COVMG anschließen soll, bleibt vielen Vereinen und Stiftungen eine Satzungsänderung erspart, ohne die eine digitale Mitgliederversammlung sonst nicht möglich wäre. Es bleibt zu hoffen, dass das eingebrachte Gesetz trotz Sommerpause rechtzeitig zum 01.09.2022 in Kraft tritt.
Ob eine virtuelle oder hybride Mitgliederversammlung dann leichter durchzuführen ist als eine Präsenzveranstaltung, wird sich erst in der praktischen Umsetzung beweisen müssen. Für Vereine und Stiftungen ist es sicherlich vorteilhaft, flexibel zu bleiben, auch wenn der Organisationsaufwand dadurch steigt.
Foto: magann, stock.adobe.com
Autorin dieses Fachbeitrags
Dr. Marietta Birner ist Rechtsanwältin in der Stiftungszentrum.law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie berät umfassend bei der Realisierung von gemeinnützigem Engagement.
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