Augen auf bei der Geldanlage
Nachhaltige Geschäftsmodelle sollten auch der Prüfung auf ethisch-nachhaltige Geschäftspraktiken standhalten.
Ein Fachbeitrag von Luisa Lange
Fonds-News Oktober 2021 – Newsletter abonnieren
Nachhaltige Geldanlagen verzeichnen über die letzten Jahre sowohl bei privaten als auch institutionellen InvestorInnen ein stetig wachsendes Nachfrageniveau. Mit einer umfangreichen Palette an nachhaltigen Anlagestrategien werden mit Berücksichtigung auf sogenannte ESG-Kriterien Investitionen in nachhaltige Anlageprodukte getätigt. Dabei steht ESG für Environmental, Social, Governance, sprich: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Um Unternehmen im Anlageprozess auf ESG-Faktoren zu prüfen, nehmen unumgänglich neben den klassischen quantitativen Bewertungskriterien vermehrt auch qualitative Faktoren eine steigende Relevanz in der Unternehmensanalyse ein. Diese erweiterte Bewertungsperspektive schafft in der zahlendominierten Finanzwelt neue Herausforderungen. Aber nicht nur in der Analyse gibt es neue qualitative Gradmesser, sondern auch die InvestorInnen stellen erweiterte Ansprüche an die Wirkung ihrer Investition jenseits der finanziellen Rendite, deren Erfolge nicht immer zwangsläufig in Zahlen ausweisbar und messbar sind. In direkter Verbindung steht das Leitprinzip des «Shareholder Values». Wie kann der «Shareholder Value» in Zukunft definiert werden, damit der Wert für die AktionärInnen nicht im Konflikt oder gar im Widerspruch zu einer nachhaltigen Entwicklung steht?
Impact Investing
In diesem Zusammenhang fällt unumgänglich der Begriff Impact Investing, eine thematische Anforderungsklasse innerhalb des nachhaltigen Investierens. Sie ist so konzipiert, dass ihre Erfolge nicht mehr nur allein an der finanziellen Rendite, sondern auch an der zusätzlichen positiven Wirkung, die das Investitionsobjekt auf Umwelt und Gesellschaft erbringt, beurteilt wird. Nicht zuletzt die damit verbundene Komplexität und hohe Zielsetzung einer Anlage macht sie auch zur Königsklasse unter den nachhaltigen Anlagestrategien. Anleger sollten jedoch dem Anlagespektrum dieser Anlageklasse stets individuell kritisch gegenüberstehen. Das Potential einer jeden Anlage kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft nach sich ziehen. Welche Zielsetzungen kann demnach ein Impact Fonds realistisch erreichen, um eine positive Wirkung zu leisten?
Solche Anlageprodukte suggerieren häufig, einen Beitrag zur Überwindung realer Nachhaltigkeitskrisen wie den Klimawandel, den Verlust an Biodiversität oder den mangelnden Zugang zu sauberem Trinkwasser zu leisten. Ein genauerer Blick auf die Nachhaltigkeitsleistung dieser Fonds verrät, dass viele Anbieter eine Auswahl von Unternehmen anhand von Geschäftsmodellen vornehmen und dabei die Geschäftspraktiken der identifizierten Unternehmen für eine Titelselektion und die Wahrnehmung von Aktionärsrechten nur unzureichend berücksichtigen.
Investitionen in die Energiewende
Die Solar- & Windstrombranche sowie die Mobilität mittels Elektrobatterien sind Beispiele für populäre Lösungen auf die oben genannten Krisen. Obgleich es fraglich ist, inwieweit mit technischen Vorkehrungen allein ökologische Schäden abgewendet werden können, haben bereits sämtliche Industrien das Mantra des grünen Wachstums als Fortschrittsverheißung verinnerlicht. Nach diesem Motto strömen neue Produkte und Dienstleistungen in den Markt, ein Beispiel mit Symbolcharakter: der E-SUV. Es wird vermittelt, gesellschaftlichen Konsum und Verhaltensweisen nahezu unverändert beibehalten zu können. Dagegen ist das Wachstum des Ressourcenverbrauchs der zentrale Treiber und die Hauptursache der genannten Umweltveränderungen. Substitution in grüne Sektoren verspricht steigende Absatzzahlen und die Eröffnung neuer Märkte, anders als Suffizienz.
Elektrobatterien in Autos und Solarpanels auf den Dächern sollen einen Beitrag zur Energiewende und einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Aber jüngst veröffentlichte Berichte vom Fraunhofer Institut und einer britischen Universität zeigen, dass internationale Wertschöpfungsketten tiefe Verwicklungen mit Menschenrechtsverletzungen und fehlenden Arbeitsschutzmaßnahmen in fernen Ländern vorweisen. Ökologische Zielsetzungen können also im Zielkonflikt zu sozialen Aspekten stehen. Ein für die Herstellung von Batterien relevanter Rohstoff ist Kobalt, dessen Hauptabbaugebiet im Kongo liegt und wovon wiederum 15%-20% aus dem Kleinbergbau stammen. Wird eine fortschreitende Energiewende im globalen Norden zu Lasten von Menschen im globalen Süden geführt, deren Regierungen oftmals intransparent agieren und keinen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen sicherstellen können?
Vermögen in zukunftsorientierte Anlagen investieren
Wirtschaftssektoren wie z.B. die Elektromobilität bringen die Energiewende voran, denken auch viele InvestorInnen und behandeln die Investitionen oftmals synonym für zukunftsfähige und somit auch nachhaltige Anlagen. Dieses Schubladendenken führt jedoch nicht selten zu Fehlinvestitionen, denn Kriterien in der Beurteilung von Nachhaltigkeit eines Unternehmens bedürfen einer ganzheitlichen Betrachtung. In diesen Analysen werden komplexe Wertschöpfungs- und Lieferketten von global agierenden Unternehmen untersucht. Dabei werden spezifische Unternehmensvorgänge auf den Prüfstand gestellt, vor allem wenn das jeweilige Unternehmen beispielweise von Ressourcen Gebrauch macht, die in ein komplexes Ökosystem eingebunden sind und stets in Bezug zu ihrer sozialen und ökologischen Umwelt betrachtet werden müssen. Im Fokus dieser Prüfung stehen beispielsweise Fragen wie: Welche Auswirkungen haben die als nachhaltig gekennzeichneten Geschäftsmodelle auf die Umwelt und die Menschen im Produktionsland des globalen Südens und auf reale Lebensbedingungen vor Ort? Lässt das Land und die dortige Regierung den geforderten Transparenzstandard für diesen Stakeholder-orientierten Ansatz überhaupt zu? Letztere Frage ist essenziell, denn ein hoher Transparenzfaktor der Unternehmen stellt die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Investmentanalyse dar.
Wie können Investitionen in Unternehmen mit schädigenden Geschäftspraktiken vermieden werden?
Kontroverse Geschäftspraktiken können im Anlageprozess systematisch untersucht werden, zudem sollten Vorkehrungen getroffen werden, diese bestmöglich zu umgehen. Dafür werden branchen-, sektor- und unternehmensspezifische Kriterien entlang der jeweiligen Lieferkette definiert und im Rahmen von Ausschlusskriterien abgefragt.
Durch die Anwendung von Negativkriterien können sowohl ganze Geschäftsfelder wie die Rüstungsindustrie oder Hersteller von genmodifizierter Nahrung als auch Unternehmen mit kontroversen Geschäftspraktiken wie die Übernutzung von Gewässern oder Korruption ausgeschlossen werden. Ausschlusskriterien sind demnach ein geeignetes Anlageinstrument, um eine Vorselektion zu treffen.
Besonderes Augenmerk gilt während des Screenings den Sektoren, die für spezifische Anfälligkeiten bereits bekannt sind. Sie weisen bei bestimmten Wertschöpfungsstufen ökologische und soziale Hotspots auf und unterliegen daher einer besonderen Risikoprüfung. Darüber hinaus stehen einem nachhaltigem Vermögensverwalter Instrumente zur Verfügung, mit denen er nicht nur vor dem Anlageentscheid gezielter selektieren kann, sondern durch dessen Anwendung er auch nach dem Anlageentscheid auf überraschende Kontroversen und Verstöße eines Unternehmens unmittelbar reagieren kann.
Die Anlagestrategie mit der Untersuchung von Geschäftspraktiken im Fokus: Engagement
Grundvoraussetzung für die Durchführung dieser Anlagestrategie ist, dass Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften die Aktionärsrechte ihrer Kunden treuhänderisch und systematisch wahrnehmen. Dabei bedient man sich primär zweier Instrumente, die individuelle Stimmrechtsabgabe auf Hauptversammlungen und die Dialogaufnahme mit den Unternehmen.
Häufig wird aktuell noch unterschätzt, wie groß die potenzielle Einflussnahme von InvestorInnen auf Geschäftspraktiken von Firmen ist, wenn es um die dringend notwendigen Verbesserungen in Umwelt- und Sozialfragen geht.
Individuelle Stimmrechtsrichtlinien wegen mangelhafter Branchenstandards
Abstimmungen auf Hauptversammlungen setzen eine intensive Auseinandersetzung mit den Geschäftspraktiken eines Unternehmens voraus. Hierzu sollen Stimmrechtsrichtlinien von Branchenverbänden, wie diejenige des Deutschen Fondsverbands BVI, helfen. Eine genauere Überprüfung solcher Richtlinien verrät jedoch, dass diese oft nicht spezifisch und zu ungenau formuliert sind, um für die Abstimmungen mit Umwelt- und sozialem Kontext ausreichende Anhaltspunkte zu geben und zu validieren, ob die Unternehmen stets im Einklang mit weltweit vereinbarten Menschenrechtsstandards operieren.
Vielmehr sind hier individuelle Stimmrechtsrichtlinien vorzuziehen, wie die von Ethius Invest und wie sie auch einige weitere spezialisierte Vermögensverwalter vorweisen. Mit einem individuellen Stimmrechtskatalog stellt Ethius systematisch pointierte Fragen vor einer jeden Hauptversammlung an die Unternehmen, um die ESG-Anforderungen der InvestorInnen zu verdeutlichen. Eine Nichtentlastung einzelner relevanter Tagesordnungspunkte auf Hauptversammlungen ist demnach keine Seltenheit, wenn zum Beispiel das Unternehmen auf fundierte Weise Kontroversen in intransparenten Lieferketten aufweist oder nicht nachweislich ambitionierte Klimaziele gesetzt hat.
Fazit
Die Frage nach zukunftsfähigen Geschäftsmodellen und nachhaltigen Geschäftspraktiken von Unternehmen, also dem «Wie» und dem «Was», kann im Zusammenhang mit nachhaltigen Anlagen nicht häufig genug gestellt werden.
Denn ein tieferer Blick in die Wertschöpfungsketten von Unternehmen, die gleichzeitig als Sinnbild für eine nachhaltige Entwicklung stehen, offenbaren nicht selten tiefe Missstände. Sowohl institutionelle InvestorInnen als auch KleinstaktionärInnen tragen eine Verantwortung für die Menschen und die Umwelt entlang der Wertschöpfungsketten. Zu diesem Zweck sollten AnlegerInnen die mit ihrem Anlageportfolio verbundenen Menschenrechts- und Umweltzerstörungsrisiken vor einer Anlage explizit prüfen. Entlang einer Investitionslebensdauer kann durch die aktive Wahrnehmung von Aktionärsrechten Einsatz gezeigt werden, dass diese Prüfung an Unternehmen anhält. Eine transparente Dokumentation dieser Aktivitäten kann die Qualität einer wirklich ethisch-nachhaltigen und verantwortungsvollen Anlage validieren und somit AnlegerInnen vor Greenwashing bewahren.
Über Ethius Invest
Die Ethius Invest Schweiz ist ein ethisch-nachhaltiger Vermögensverwalter und Fondsinitiator des Ethius Global Impact Fonds. Die Anlagephilosophie verfolgt das Prinzip eines konsequenten Nachhaltigkeitsansatzes und die Investmentmethodik stellt sich durch den erfolgreichen Global Challenges Index dar. Der Anspruch an Nachhaltigkeit stellt keine Ergänzung, sondern den Grundgedanken des Unternehmens dar.
Foto: Peter, stock.adobe.com
Über die Autorin
Luisa Lange verantwortet das Sustainability Management der Ethius Invest Schweiz und ist eine der Partnerinnen des inhabergeführten Unternehmens.
„Ein ausschließlich auf Profit orientiertes Wirtschaften scheint nicht mehr die passende Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit zu sein. Vielmehr ist wirkungsorientiertes Unternehmertum eine Notwendigkeit.“
Luisa Lange
Viel mehr lesen
Praxistipps und Fachbeiträge rund ums Stiften, Spenden und Fördern – für alle, die sich gemeinnützig engagieren.