Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Teil IV der Reihe „Gemeinnützig bleiben“
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist angesichts der Fülle von Regelungen und Vorgaben, die das Gemeinnützigkeitsrecht vorsieht und die von den handelnden Personen zu beachten sind, schnell passiert. Dabei können schon geringe Fehler nach dem in Deutschland geltenden Alles-oder-nichts-Prinzip zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.
Aberkennung der Gemeinnützigkeit für mehrere Jahre
Das Finanzamt entzieht die Gemeinnützigkeit für das jeweilige Jahr, in dem der gemeinnützigen Organisation der Fehler unterlaufen ist. Doch da die Finanzverwaltung die meisten Organisationen im Drei-Jahres-Rhythmus prüft und sich Fehler meist über mehrere Jahre erstrecken, entfällt die Gemeinnützigkeit in der Praxis für mehrere Jahre. Wird der Fehler abgestellt, besteht allerdings die Möglichkeit, die Gemeinnützigkeit für die Zukunft zurückzuerlangen.
Keine sofortige Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei unzulässiger Mittelthesaurierung
Die einzige und bedeutsame Ausnahme zum Alles-oder-nichts-Prinzip gilt für den Fall der unzulässigen Mittelthesaurierung. Das heißt, dass eine gemeinnützige Organisation ihre Mittel nicht wie im Gemeinnützigkeitsrecht vorgesehen innerhalb von zwei Jahren nach dem Jahr des Zuflusses für ihre gemeinnützigen Zwecke verwendet. In diesem Fall setzt das Finanzamt eine Frist, bis zu der die rückständigen Mittel für gemeinnützige Zwecke verwendet werden müssen. Wird die Frist vom Finanzamt eingehalten, erfolgt keine Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Verstöße gegen den wichtigen Grundsatz der Vermögensbindung führen hingegen nicht nur zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die betreffenden Jahre, sondern sogar zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die vergangenen 10 Jahre. Dies bedeutet oft das Aus der Organisation: Eine rückwirkende Versteuerung (Umsatzsteuer, Ertragsteuer) hat meist die Insolvenz der Organisation zur Folge.
Solch schwerwiegenden Verstöße sind denkbar, wenn die gemeinnützige Bindung des Vermögens über den Zeitpunkt der Auflösung der NPO hinaus nicht korrekt in der Satzung festgeschrieben ist oder, wenn zwar die Satzung einwandfrei ist, die Organisation aber in tatsächlicher Hinsicht die Vermögensbindung nicht beachtet oder ihre Mittel derart umfassend fehlverwendet, dass damit ihre gesamten Mittel der Gemeinnützigkeit entzogen sind und letztendlich nicht-gemeinnützigen Zwecken dienen.
Folgeproblem I: Rückforderung von Zuschüssen
Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist für viele Körperschaften weniger dramatisch als die sich daran anschließenden Folgeprobleme. Insbesondere zuschussfinanzierten Einrichtungen, beispielsweise Bildungsträger wie Schulen und Kindergärten oder Kitas, droht im Anschluss an den Entzug der Gemeinnützigkeit häufig der Wegfall der staatlichen Unterstützung. Damit bricht nicht selten das gesamte Geschäftsmodell, das auf die Zuschussfinanzierung zwingend angewiesen ist, in sich zusammen: Ohne Zuschüsse lassen sich die Personalkosten und Raumkosten meist nicht decken.
Der Wegfall der Gemeinnützigkeit wird häufig dazu führen, dass die öffentliche Hand bereits gewährte Zuschüsse für die vergangenen Jahre ganz oder zum Teil zurückverlangt. Damit ist die Insolvenz der ehemals gemeinnützigen Einrichtung regelmäßig besiegelt, wenn keine rechtliche und/oder politische Lösung des Problems gefunden wird.
Folgeproblem II: Persönliche Haftung
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und die möglicherweise im Raum stehenden Rückforderungsansprüche in Bezug auf Zuschüsse sind, was die persönliche Haftung der Verantwortlichen angeht, nur der Anfang. Für die handelnden Personen, beispielsweise den Vorstand, steht noch deutlich mehr auf dem Spiel: Sowohl das Finanzamt als auch die gemeinnützige Organisation selbst werden die Handelnden nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf rückständige Steuerzahlungen beziehungsweise auf Schadensersatz in Haftung nehmen. Die Organisation ist zur Geltendmachung dieser Ansprüche übrigens auch verpflichtet, wenn sie nicht erneut eine Mittelfehlverwendung durch Verzicht auf den Schadensersatzanspruch und damit erneut einen Fehler gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben begehen will.
Folgeproblem III: Auswirkungen auf Spenden
Eine Körperschaft, deren Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, darf keine Zuwendungsbestätigungen mehr ausstellen. Da die meisten Spender ihre Zuwendungen im Rahmen ihrer Steuererklärungen geltend machen möchten und hierfür dem Finanzamt zwingend eine Zuwendungsbestätigung vorzulegen ist, wird der Verlust der Gemeinnützigkeit häufig zu einem empfindlichen Einbrechen der Spendeneinnahmen führen.
Auch für bereits ausgestellte Spendenbescheinigung hat der Entzug der Gemeinnützigkeit unter Umständen negative Auswirkungen. Zwar dürfen sich die Spender auch weiterhin auf die einmal ausgestellten Spendenbescheinigungen verlassen – jedenfalls dann, wenn sie nicht wussten oder hätten wissen müssen, dass die Zuwendungsbestätigungen falsch waren. Dafür haftet dann aber häufig die gemeinnützige Organisation selbst gegenüber dem Finanzamt mit einem Betrag in Höhe von mindestens 30% der Spenden.
Reihe ‚Gemeinnützig bleiben‘
- Gemeinnützig bleiben, Teil I: Der ideelle Bereich
- Gemeinnützig bleiben, Teil II: Der Zweckbetrieb
- Gemeinnützig bleiben, Teil III: Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb
- Gemeinnützig bleiben, Teil IV: Aberkennung der Gemeinnützigkeit
- Gemeinnützig bleiben, Teil V: Gemeinnützigkeit aberkannt, was nun?
Foto: nmann77, stock.adobe-com
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