Interview: Kleiderspende bei OTTO
Träger von „Platz schaffen mit Herz“ ist die Initiative Zukunft gGmbH, die von OTTO im Jahr 2014 gegründet wurde. Insgesamt wurden über die Initiative seit 2014 Spendengelder in Höhe von 580.000 Euro an gemeinnützige Organisationen ausgeschüttet. Allein 130.000 Euro davon sind seit dem Start der Kooperation mit Haus des Stiftens ausgeschüttet worden. Mehr Infos unter: www.platzschaffenmitherz.de
Was es mit „Platz schaffen mit Herz“ auf sich hat, erzählen Benjamin Köhler, Leitung Corporate Responsibility bei OTTO, und Lisa Franke, Projektleiterin CR „Platz schaffen mit Herz“, im Interview.
1. Sie sprechen bei „Platz schaffen mit Herz“ von der Kleiderspende im Paket. Wie funktioniert das?
Lisa Franke: Jeder, der mitmachen will, kann seine aussortierte Kleidung in einem Paket an „Platz schaffen mit Herz“ schicken. Der Paketschein dafür kann einfach online auf unserer Website erstellt werden. Die Kleiderspende im Paket nimmt jeder Hermes-Paketshop kostenfrei entgegen. Danach wird die gespendete Kleidung von unserem Partner SOEX, einem Textilverwerter mit Sitz in Deutschland, anhand von 400 Kriterien geprüft und sortiert. Etwa 66 Prozent der eingesandten Kleidung gelangt dann in verschiedene Handelskanäle in Osteuropa, im Nahen und Mittleren Osten und ins südöstliche Afrika. Der Erlös daraus kommt gemeinnützigen Projekten zugute, die der Kunde selbst vorschlagen kann. Kleidung, die nicht für den Weiterverkauf geeignet ist, wird recycelt. Im Anschluss an die Kleiderspende erhält jeder Kunde per E-Mail einen Voting-Code und kann mitentscheiden, welches Projekt unterstützt werden soll.
2. Wann und wie ist die Idee zu „Platz schaffen mit Herz“ entstanden?
Benjamin Köhler: Zum ersten Mal kam das Thema Kleiderspende 2011 oder 2012 bei OTTO auf. Mit der konkreten Planung haben wir dann im September 2013 begonnen. OTTO hat das Thema Nachhaltigkeit schon seit langem auf der Agenda und ist insbesondere am Anfang der Wertschöpfungskette aktiv, also beim Thema Rohstoffe, wie bspw. Baumwolle oder Holz. Die Kleiderspende ist somit ein erster Schritt, auch das Ende der Wertschöpfungskette abzudecken. OTTO ist als Unternehmen, das stark für Textilien steht, prädestiniert dafür. Außerdem kommen uns als Versandhandelsunternehmen unsere Logistik- und Retourenprozesse zugute, die wir natürlich für die Kleiderspende im Paket nutzen können. Im März 2014 haben wir den Service bereits unseren Kunden angeboten und gleichzeitig die Initiative Zukunft gGmbH gegründet, die Träger von „Platz schaffen mit Herz“ ist und am Ende die Spenden ausschüttet. Dass alles so schnell ging, ist auf die Begeisterung und Bereitschaft aller Beteiligten für dieses Projekt zurückzuführen.
3. Wodurch unterscheidet sich die Kleiderspende an Ihre Initiative von anderen Kleiderspenden?
LF: Bei Platz schaffen mit Herz nutzen wir Prozesse, die bereits vorhanden sind und die OTTO besonders gut kann. Bei den Paketen, die uns erreichen, ist die Kleidung tendenziell in einem sehr guten Zustand, sie wird auf dem Weg zu uns nicht nass oder mit weniger gut erhaltenen Kleidung vermischt. Die Pakete sind liebevoll und sorgfältig verpackt, man merkt eben, dass Kleidung für die meisten Menschen auch einen emotionalen Bezug hat. Durch die höhere Qualität haben wir eine sehr hohe Weitertragbarkeit, so erhalten ca. 66 Prozent der Kleidungsstücke einen neuen Besitzer. Allerdings merken wir natürlich auch, dass durch Fast Fashion die Gesamtmenge zunimmt, aber die Qualität sinkt. Unser Ziel bei OTTO ist es, mithilfe von Platz schaffen mit Herz Kleidung möglichst lange im Kreislauf zu halten und den Lebenszyklus eines produzierten Textils zu verlängern. Für uns ist die Kleiderspende zum einen Nachhaltigkeitsengagement und zum anderen Service gegenüber dem Kunden. Wir wissen, dass das noch nicht die perfekte Lösung ist, aber wir haben uns auf den Weg gemacht und einen Ansatz gefunden.
BK: Natürlich ist das Ziel der meisten Sammlungen das gleiche, Kleidung möglichst lang im Kreislauf zu halten. Die meisten Menschen wünschen sich, dass ihre Kleidung direkt an Bedürftige in Deutschland geht. Allerdings ist der Markt in Deutschland dafür gesättigt. Denn pro Jahr werden alleine in Deutschland 1 Mio. Tonnen an Altkleidern gesammelt. Wir wollen durch „Platz schaffen mit Herz“ auch über das Thema aufklären, offen kommunizieren und Transparenz schaffen
4. Das Thema Kleiderspenden ist nicht unumstritten. Stichwort Textilindustrie in Afrika oder Umwelt. Was erwidern Sie Ihren Kritikern?
LF: Ja, das hören wir immer wieder. Wir tauschen uns dazu auch ständig intern und mit unseren Partnern aus, um Dinge verbessern und verändern zu können. Wir sind Teil eines Systems und versuchen unseren Beitrag zu leisten, intakte Kleidung möglichst lange im Markt zu halten und so viele Kreisläufe wie möglich zu haben. Neben Weitertragen ist der Weiterverkauf der sinnvollste ökologische Weg. Hier versuchen wir anzusetzen.
BK: Das Problem ist zudem, dass Recycling momentan kein echtes Recycling ist. Es ist vielmehr ein Down-Cycling, weil Putzlappen etc. daraus werden. Derzeit gibt es kein skalierbares Recycling-System. Im Markt gibt es neben dem Fast-Fashion-Konsum aber auch schon seit geraumer Zeit gegenläufige Trends, wie bewusster Konsum oder überhaupt weniger zu besitzen. Dazu bedarf es aber einer Verhaltensänderung, die sich im Grunde genommen auf drei Aspekte fokussiert: Reduce, reuse, recycle. Der Weg dahin ist aber noch weit.
5. Wie ist die Resonanz der gemeinnützigen Organisationen?
LF: Die Resonanz ist sehr positiv. Wir bekommen Artikel aus der Lokalpresse über die durchgeführten Aktionen oder den Einsatz der erhaltenen Spendengelder zugeschickt. Die Non-Profits freuen sich über die Möglichkeit und durch die vielen Events zu „Platz schaffen mit Herz“ finden sie teilweise neue Unterstützer und haben genau wie wir eine erhöhte Reichweite für ihr Projekt. Wir haben auch schon Facebook-Posts mit einem Dankes-Video an bspw. den Bürgermeister oder Paketshop-Besitzer erhalten. Es ist schön zu sehen, wie kreativ und emotional das Angebot angenommen wird. Es gibt aber auch kritische Rückfragen, die wir gerne beantworten und so auch in einen Austausch mit den Organisationen treten können
BK: Wir sind wirklich überwältigt von der Resonanz. Durch unseren sehr kooperativen Ansatz profitieren viele von „Platz schaffen mit Herz“. Wir können die Kunden und NPO-Gemeinde aktivieren, mit uns und unseren Partnern Gutes tun.
6. Wie passt „Platz schaffen mit Herz“ zu anderen CR-und Nachhaltigkeitsmaßnahmen bei OTTO?
BK: OTTO ist ja Teil der Otto Group, die aus über 120 international agierenden Unternehmen besteht. Die Otto Group hat eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie, die für alle 120 Unternehmen gilt. Diese Strategie umfasst nachhaltige Rohstoffe wie Baumwolle und Holz, umweltschonende Verpackungen und die Reduktion des CO2-Ausstoßes, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei uns sind Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung seit über 30 Jahren immer wichtiger geworden. Bereits 1986 gab es ein klares Bekenntnis von Dr. Michael Otto zum Umweltschutz, der dies damals als Unternehmensziel verankert hat. In den 1990er Jahren haben wir unser Sozialprogramm eingeführt, um unserem zunehmend globalisierten Wirtschaften Rechnung zu tragen. 2007 haben wir unser Engagement um eine langfristig angelegte Klimaschutzstrategie erweitert. Neben den Themen, die im Unternehmen stattfinden, gibt es ein Netzwerk von diversen Stiftungen, wie bspw. Michael-Otto-Stiftung, 2-Grad-Stiftung, Aid by Trade-Stiftungen. Wir stellen uns immer die Frage: Was können wir in unserem Geschäft besser machen? Und das zieht sich durch alle Bereiche durch.
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Petra Röhrl.
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