Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Ein Fachbeitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Ingo Bott
Fonds-News April 2022 – Newsletter abonnieren
Macht das neue Gesetz die Welt wirklich besser?
Sitzen Sie gerade am Smartphone oder am PC? Dann sitzen Sie möglicherweise am Ende einer Menschenrechtsverletzung. Unser Luxus beruht häufig auf dem Leid anderer. Kinderarbeit, mangelnder Gesundheits- und Sicherheitsschutz am Arbeitsplatz und Hungerlöhne gehören in der Lieferkette unserer Produkte leider zum Alltag. Lange Zeit wurden die Missstände von der Politik, den Unternehmen und schließlich auch von den Konsumenten gekonnt ignoriert. Jetzt wird gehandelt: Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kommt! Doch wird sich wirklich etwas verändern?
Lieferkettengesetz – Menschenrechtsschutz per Gesetz
Das Gesetz über die unternehmerische Sorgfaltspflicht zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, oder, einfacher: das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, tritt zum 01.01.2023 in Kraft. Das Ziel ist als Idee so begrüßenswert wie die Umsetzung schwierig: Deutsche Unternehmen sollen Menschenrechte anerkennen und aktiv schützen, und zwar nicht nur im eigenen Land, sondern auch in der gesamten Lieferkette und damit, Hand aufs Herz, gerade auch in solchen Ländern und Regionen, in denen Menschenrechtsverletzungen durchaus an der Tagesordnung sein können.
Das Anliegen ist dabei allerdings nicht nur richtig und wichtig, sondern auch rechtlich komplex. Insbesondere ist nicht immer klar, was „die Menschenrechte“ alles umfassen. Auch der deutsche Gesetzgeber nimmt sich nun der Frage an, wie ein effektiver Schutz der Menschenrechte zu erreichen ist.
Die Schlagworte, mit denen sich die neue Gesetzgebung befasst, sind dabei ebenso bekannt, wie Einigkeit darüber besteht, dass die dahinterstehenden Problemlagen unbedingt zu bekämpfen sind: Kinderarbeit, sexuelle Ausbeutung oder grobe Umweltverstöße sind nicht nur vollkommen zu Recht ein generelles Tabu. Global denkende Unternehmer:innen setzen sich auch heute schon konkret damit auseinander, wie damit in Zusammenhang stehende Fälle vermieden werden können, wenn auch klassischerweise unter einem negativen Blickwinkel. Im Raum steht dabei die Frage, wie reputationsschädigende Skandale vermeidbar sind. Das ändert sich jetzt. Ziel des neuen Gesetzes ist es nicht nur, zu verhindern, dass kein unter menschenunwürdigen Umständen produziertes Smartphone, kein PC, keine Autos, keine T-Shirts mehr verkauft werden, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass diese abzulehnenden Produktionszustände an sich nicht mehr bestehen. Unternehmen sollen dazu gezwungen werden, Menschenrechte umzusetzen. Dabei wählt der Gesetzgeber eine strenge Herangehensweise.
Menschenrechtsschutz in der Lieferkette – Was kommt wann? Und was kann drohen?
Ab 2023 sollen deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 sogar bereits ab 1.000 Mitarbeitenden für Menschenrechtsverstöße in ihrer Lieferkette haften. Hierzu zählen auch gemeinschaftliche Organisationen mit unternehmerischen Strukturen. Auf die Rechtsform des Unternehmens kommt es dabei eben so wenig an, wie auf die Frage, ob das Unternehmen erwerbswirtschaftlich handelt. Auch gemeinnützige Einheiten, wie Stiftungen oder Vereine, müssen sich daher an das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz halten, wenn sie die entsprechende Anzahl an Arbeitnehmer:innen überschreiten. Bei einem Verstoß drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes.
Ein aktueller Entwurf der Europäischen Union will das sogar noch weiter verschärfen und die normative Anwendbarkeitsschwelle auf 500 Mitarbeiter herabsetzen. Unternehmen, die in Sektoren mit höherem Risiko von Ausbeutung und Umwelt sind, sollen strengeren Regeln unterliegen. Hier ist die Schwelle bei 250 Mitarbeitenden vorgesehen. Zwar sind diese Risikobranchen mit Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft im Einzelnen benannt. Welche Maßnahmen konkret zu ergreifen sind, um Menschenrechte tatsächlich aktiv zu schützen und zugleich Bußgelder zu vermeiden, bleibt für Unternehmen allerdings weitgehend unklar.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz statuiert jedenfalls bestimmte Sorgfaltspflichten, die die Unternehmen dazu verpflichten, in angemessenem Umfang Vorkehrungen zu treffen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Zu diesen Sorgfaltspflichten gehören z.B.:
- Einrichtung eines Risikomanagementsystems
- Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen – welche Bereiche sind besonders kritisch?
- Abgabe einer Grundsatzerklärung – welche Strategie verfolgt das Unternehmen, um Menschenrechte ausreichend zu wahren?
- Verankerung von bestimmten Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern – z.B. Schulungen für Mitarbeitende.
- Ergreifung von Abhilfemaßnahmen, wozu (nur) im Worstcase auch der vollständige Abbruch der Vertragsbeziehungen zu Geschäftspartnern zählt, die Menschen- und Umweltrechte nicht ausreichend achten. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es zuvor, eine einvernehmliche Lösung mit dem Geschäftspartner zum Wohle aller zu finden.
Menschenrechtsschutz schon jetzt!
Viele Unternehmen wagen bereits jetzt den Schritt in eine menschenrechtsfreundlichere Welt. Hierbei können sich Unternehmen auch von spezialisierten Kanzleien unterstützen und beraten lassen. Zusammen mit den Unternehmen werden anschließend die Strukturen und Herausforderungen der unternehmerischen Lieferkette unter die Lupe genommen. Um das Gesetz in Zukunft vernünftig umzusetzen, werden effektive Schulungs-, Compliance- und Lösungskonzepte erarbeitet, die sich eng an den Maßgaben der Menschenrechtsrechtsprechung orientieren.
Beispielsweise raten wir Unternehmen regelmäßig dazu, einen unabhängigen Menschenrechtsbeauftragten vor Ort zu etablieren, der den Unternehmen regelmäßig Bericht über die aktuelle Situation vor Ort erstattet. Aus dem Zusammenspiel mehrerer Mittel erreicht man schlussendlich einen wirksamen Schutz für alle: Für die Unternehmen vor unliebsamen Ermittlungen. Vor allem aber für die Menschen, die zum Erfolg des Unternehmens erst beitragen, da sie sich darauf verlassen können, dass ihre Rechte gewahrt, gepflegt und gewürdigt werden.
Es wird deutlich, dass die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes zwar viele Schwierigkeiten aufweisen wird, dies ist aber möglich und wird zu einer menschengerechteren Welt führen, in welcher die Nutzung des Smartphones oder PCs ohne schlechtes Gewissen erfolgen kann.
Foto: Claus Mikosch, stock.adobe.com
Autor dieses Fachbeitrags
Rechtsanwalt Prof. h.c. (UTP del Perú) Dr. Ingo Bott
Inhaber der Kanzlei Plan A – Kanzlei für Strafrecht in Düsseldorf

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