Sozialversicherungspflicht eines Stiftungsvorstands
BSG weist Revision einer Stiftung gegen das Urteil des LSG NRW zurück und bestätigt: Tätigkeit als Vorstandsmitglied ist sozialversicherungspflichtig.
Ein Beitrag von Rechtsanwältin Melanie Jakobs
Stiftungs-News Juni 2021 – Newsletter abonnieren
Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.02.20211 sollte Stiftungsvorstände hellhörig werden lassen. Das Gericht hält das Urteil des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) für rechtens, wonach die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds sozialversicherungspflichtig ist. Nach Abwägung der Gesamtumstände sei von einer persönlichen Abhängigkeit des Vorstandsmitglieds auszugehen2. Auch wenn kein weiteres Kontrollorgan in der Stiftung existiert, welches dem Vorstand Weisungen erteilen konnte, war das Vorstandsmitglied bei seiner Tätigkeit an Beschlüsse des Gesamtvorstands gebunden.
Geklagt hatte eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts, deren einziges Organ ein aus drei Personen bestehender Vorstand war. Die Stiftung wurde nach außen von jeweils zwei Mitgliedern vertreten, Vorstandsbeschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit gefasst. Laut Satzung konnten die Vorstandsmitglieder neben einer Aufwandserstattung auch eine „Vergütung“ für ihren Zeitaufwand erhalten. Die Vorstandmitglieder trafen sich in der Regel dreimal pro Woche zur Abstimmung. Ein Vorstandsmitglied nahm zusätzlich zu seiner organschaftlichen Funktion auch Aufgaben der Geschäftsführung wahr. Für seinen Zeitaufwand wurde eine Vergütung von 75 Euro pro Stunde vereinbart, welche ihm über fünf Jahre eine jährliche Zahlung zwischen 20.000 und 60.000 Euro bescherte.
Das BSG bestätigte die Auffassung des LSG, wonach keine selbständige Tätigkeit vorlag, sondern ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wurde.
Beachtung von Vorstandsbeschlüssen
Dem steht nicht entgegen, dass Weisungsrechte in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt und die Vorstandsmitglieder nicht von einem anderen Organ überwacht wurden. Entscheidend ist, dass das betreffende Vorstandsmitglied nicht nach eigenem Gutdünken handeln konnte. Denn es hatte bei seiner Aufgabenerfüllung den Willen des Stifters sowie den Willen der weiteren Vorstandsmitglieder zu beachten. Bei der Umsetzung seiner Aufgaben war es auf die Einwilligung oder Genehmigung mindestens eines weiteren Vorstandsmitglieds angewiesen. Für eine selbstständige Tätigkeit hätte das Vorstandsmitglied zumindest in der Lage sein müssen, missliebige Vorstandsbeschlüsse mit seiner Stimme zu verhindern. Gerade weil kein weiteres Kontrollorgan bestand, ist die Verantwortung des Gesamtvorstands als Kollegialorgan von besonderer Bedeutung.
Vereinbarung einer festen Vergütung
Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht auch die Zahlung einer festen Vergütung. Aufgrund der konkreten Bezahlung nach Stunden sowie der Höhe des Stundensatzes hatte diese Vergütung auch den Charakter einer entgeltlichen Tätigkeit zu Erwerbszwecken. Darüber hinaus ist das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko bei Vorstandsmitgliedern einer gemeinnützigen Stiftung nicht ersichtlich.
Schriftlicher Vertragsschluss nicht erforderlich
Das Fehlen eines schriftlichen Anstellungsvertrages schließt die Sozialversicherungspflicht nicht aus. Auch mündliche oder konkludente Vereinbarungen sowie die Übertragung von Verwaltungsgeschäften durch die Satzung können zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führen.
Fazit
Nach diesem Urteil dürfte wenig Spielraum für eine selbständige Tätigkeit eines entgeltlich vergüteten Stiftungsvorstands bleiben. Spannend bleibt, inwieweit die Rechtsmacht eines einzelnen Vorstandsmitglieds, missliebige Vorstandsbeschlüsse in einem mehrköpfigen Vorstand zu verhindern, im Rahmen der Gesamtabwägung zu einem anderen Ergebnis führen könnte.
1 Az.: B 12 R 15/19 R
2 § 7 Abs. 1 s.2 SGB IV
Foto: Butch, stock.adobe.com
Autorin dieses Fachbeitrags
Melanie Jakobs ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Stiftungszentrum.law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie berät umfassend bei der Realisierung von gemeinnützigem Engagement.
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